Montag, 13. Dezember 2010

Kurze Meldung vor Weihnachten

2010 ist also fast vorbei und ich in Kapstadt endlich richtig angekommen. In den letzten Wochen ist unglaublich viel in der NWF passiert, freie Zeit gibt es nicht viel und auch wenn wir zu Hause sind, muss dies und das noch vorbereitet und gemacht werden.

Aber damit bin ich voll zufrieden und ich merke, wie die New World mehr und mehr mein Lebensmittelpunkt wird und ich mich einfach immer tierisch freue, morgens in die Organisation zu kommen und all die bekannten Gesichter zu sehen.

Nur mit Juna, der Lehrerin, ist es nicht ganz so einfach... Ich werde wirklich nicht warm mit ihr. Habe keine Ahnung, worüber ich mit ihr reden soll und bin daran auch ehrlich gesagt nicht sonderlich interessiert. Wie sie mit den Kindern umgeht, fand ich von Anfang nicht richtig. Aber hier läuft einfach vieles nach Hierarchie und der leiste ich einfach nicht folge, wenn ich mit den Kindern spiele und sie in den Arm nehme. Das wird dann aber nicht offen angesprochen, vielmehr werde ich mit kalten Blicken gestraft und in letzter Zeit wird mir auch einfach nicht erzählt, was in der Pre-School so geplant ist. Beispielsweise hatten wir ein Christmas-Play für die Eltern, an dem gleichen Tag hatte ich aber eine Filmvorführung für die umliegenden Schulen geplant. Ich hätte locker beides geschafft und jeder der Staff-Member wusste von dem Weihnachtsstück, nur ich nicht und deshalb sollte ich dann auch nicht dabei sein!!

Ein weiterer Höhepunkt war auf jeden Fall das Konzert, vor ein paar Wochen. Wie es halt so ist in Südafrika, war bis zum Schluss nicht alles fertig und am letzten Tag wurden die restlichen Sachen von mir gebastelt und genäht. Alles war aber wirklich nicht zu schaffen, was dann natürlich mein Fehler war, weil ich ja schneller arbeiten oder es mit nach Hause nehmen könnte. Deshalb wurde ich bei der Danksagung am Ende des Konzerts einfach übergangen, obwohl jeder Hans und Franz aufgezählt wurde … Und die Hälfte der Sachen, die ich gemacht habe, wurden dann doch nicht benutzt, weil es gar nicht so viele Kinder gab.

Eigentlich ist das Ganze echt schade. Vor allem weil mein Vorgänger sich so richtig gut mit ihr verstanden hat, aber bei uns wird das glaube ich nichts mehr :) Ich habe einfach andere Leute, die ich viel lieber hab und mit denen ich auch außerhalb der NWF was unternehmen mag.

Ein Gutes hat das Ganze auf jeden Fall, mich plagt das schlechte Gewissen nicht mehr so stark, wenn ich mit den Kinder dicke bin. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie die Pre-School-Arbeit als Fulltimejob-Job sieht, was er aber, vor allem nachmittags, nicht ist. In der letzten Zeit habe ich endlich mit meinem eigenen Leseprojekt angefangen und war deshalb nur halbe Tage in der arikaans-Klasse.

Aber das ist alles wunderbar gelaufen, auf afrikanische Art, aber mir hat es total Spaß gemacht. Jugend gegen Aids e.V., für den ich an der Schule mal Aidsschleifen verkauft habe, wenn ihr euch noch erinnert … ;) hat Gelder bereitgestellt, davon konnte ich 30 Exemplare des Buches „Themba“ kaufen. Die sollten Anfang November ankommen, damit ich genug Zeit habe, mit einer Schulklasse die Thematik vorzubereiten und mit den Kindern Lutz van Dijk, den Autor, in der New World zu treffen. Am Welt-Aids-Tag, dem 1. Dezember, wollten wir den Film zeigen. Die Bücher sind aber erst einen Tag vor dem Autorengespräch angekommen.

Trotzdem hatte ich mit der Gruppe eine super Zeit. Es waren eigentlich um die 13 Kindern, aber nur einmal waren alle da. Ich hatte Kopien von den ersten Kapitel gemacht, ganz viel über HIV/Aids mit ihnen gesprochen und so richtige, richtige Prävention gemacht. Besonders die Mädels hatten Spaß daran, Plakate zu gestalten, die jetzt in der NWF hängen.

Besonders toll fand ich, wie schnell sie Vertrauen zu mir gefasst und Geschichten aus ihrem Leben und ihrer Familie erzählt haben. Eine der Mädchen lebt erst seit einem Jahr in Kapstadt, weil sie mit ihrer Familie aus Simbabwe geflüchtet ist, das war total beeindruckend!

Das Autorengespräch lief dann auch richtig gut. Ich hatte mit der Gruppe Fragen vorbereitet, die eifrig gestellt wurden, manche sogar auf Deutsch.

Die Filmvorführung am darauf folgenden Tag lief dann nicht so nach meinen Vorstellungen :) Es gab technische Probleme, weil irgendwer die Adapter mit genommen hat und wir hatten keinen Ton. Was ein bisschen schade war, aber am Freitag sind die Klassen dann wieder gekommen und um die 150 Kinder konnten „Themba“ sehen. Der Film ist auch richtig gut angekommen, weil sie vieles aus ihrem Alltag wiederentdeckt haben und das Ende praktisch bei ihnen um die Ecke spielt. Außerdem ist Fußball ein so allgegenwärtiges Thema, das den Großteil der Kinder begeistert und die schwere Thematik so wunderbar vermittelt hat.

Am Welt-Aids-Tag habe ich auch noch viele Aidsschleifen verteilt, die ich aus Deutschland geschickt bekommen habe und wirklich jeder, egal ob Kind oder Angestellter hat an dem Tag eine getragen. Ich kann das Gefühl gar nicht richtig beschreiben, aber ich habe mich riesig gefreut so viele rote Schleifen zu sehen.

Mittags bin ich mit einigen lokalen Freiwilligen noch an eine große Kreuzung in die Nähe der New World gegangen. Wir hatten Plakate mit „Hoot 4 safe sex“ um und die gesamte Kreuzung war für 45 Minuten ein einziges Hupkonzert. Dazu haben wir Kondome und Schleifen an die wartenden Menschen in den Autos verteilt und der Unterschied zu Deutschland und Südafrika war mir wieder richtig bewusst.

Ich glaube nicht, das etwas Vergleichbares zu Hause möglich gewesen wäre. Zwischen den stehenden Autos umher zu laufen, mit den Fahrern zu schnacken, von überallher Kommentare zugerufen zu bekommen und einfach so unfassbar viel Spaß zu haben, die anderen Leute auch zu motivieren zu hupen.

Also der Welt-Aids-Tag und die Woche darum war richtig super, aber auch richtig anstrengend. Hinzu kam, dass wir in der Woche auch unsere Christmas-Aftercare-Party hatten. Und auch für die musste vieles vorbereitet werden.

Die Kinder haben ein Krippenspiel aufgeführt, gesungen, getanzt und andere kleine Szenen vorgeführt. Das alles im kleineren Rahmen stattgefunden hat war richtig gut, da sich so nicht alles verlaufen hat. Wir hatten Chips, Hot Dogs und Pommes vorbereitet (21 kg Kartoffeln haben wir dafür geschält!!) und es war so richtig schön.

Die Kinder mussten einzeln nach vorne kommen, um sich ein Zertifikat abzuholen und von allen Volontären einmal in Arm genommen zu werden. Sonst ist es halt echt nicht einfach mit ihnen. Sie sind laut und aggressiv, beschimpfen sich gegenseitig und gehen mit den Freiwilligen auch nicht besonders respektvoll um. Aber an dem Abend herrschte eine ganz andere Stimmung und als sie ihre Zertifikate bekommen haben, hat man in vielen Gesichtern eine Mischung aus Dankbarkeit, Unsicherheit und vielleicht auch ein bisschen Trauer gesehen.

Sie haben es halt echt nicht leicht. Viele wirken älter als sie sind, weil sie von klein auf mit schlimmen Geschichten und Schicksalen konfrontiert werden, die sie enorm abhärten. Aber sie sind alle noch Kinder, richtige Kinder, die Anerkennung und Geborgenheit brauchen. Die bekommen sie zu Hause kaum, deshalb kommen sie jeden Nachmittag zu uns. Auch an dem Abend waren nur wenig Eltern da. Und was furchtbar war, von einem der „richtig harten“ Mädchen war nur die Oma da. Die war aber total betrunken, hat mir zu erst erzählt, dass die Mutter des Mädchen sowieso nie zu so was kommen würde und hat dann angefangen voll rum zu pöbeln und mich anzumachen, weil ich ihr angeblich das Zertifikat ihrer Enkelin nicht geben wollte. Ich hatte dieses Papier aber nicht einmal in der Hand und hab ihr versucht das klar zu machen, was die Lage nicht besser gemacht hat.

Ein Freiwilliger ist dann dazwischen gegangen und hat das für mich geklärt, ich war trotzdem stark verwirrt.

Zum Abschluss haben wir dann alle noch „We are the World“ zusammengesungen. Wir standen mit den Kindern vorne, die wenigen Eltern sind alle aufgestanden, haben mitgesungen und mitgetanzt. Das hat mir dann den Rest gegeben :)

Jetzt haben wir erstmal Ruhe vor den Kindern, die kommen erst Mitte Januar wieder. Das ist sehr merkwürdig, weil ich die sonst jeden Tag gesehen habe.

Pre-School ist nun auch vorbei, die Kinder werde ich wohl nicht wieder sehen, was mich ein bisschen traurig macht. Letzte Woche waren wir zum Abschluss nochmal mit allen 120 Kindern im Freibad. Das Schwimmen an sich hat dann nur 20 Minuten gedauert, vom dem Wasser war nicht viel zu sehen, weil so enorm viele schwarze Köpfe auf einem Haufen waren. Am nächsten Tag gab es Bescherung und jeder hat eine Kleinigkeit bekommen (120 Geschenke, von mir eingepackt und gezählt). Wir haben Weihnachtslieder gesungen, Father Christmas kam vorbei und ein Kind hat angefangen zu heulen, was ich sehr sympathisch fand, weil ich mich auch immer vor dem Weihnachtsmann versteckt habe :)

Und dann gab es noch die Graduation, eine Sache für sich. Die Kinder werden nächstes Jahr zur Primary School gehen, haben die Vorschule nun abgeschlossen. Eigentlich nicht so das Spektakel. Deshalb habe ich den Sinn der Graduation nicht richtig verstanden, habe mich aber trotzdem drauf gefreut. Nur wusste ich nicht, was für einen hohen Stellenwert das Ganze hier hat und bin schön entspannt in Shorts da angekommen und jeder war so richtig aufgetakelt. Die Mädchen hatten alle weißen Rüschenkleider an, die Haare waren geglättet, ein paar geschminkt. Die Jungen waren in Anzughose und weißen T-Shirt oder Hemd unterwegs. Auch die Lehrer sahen richtig schick aus. Naja … bis auf mich.

Am Ende haben wir noch Bilder gemacht und mir ist so richtig bewusst geworden, dass das jetzt der Abschied von meiner ersten südafrikanischen Klasse ist. Viele kamen zu mir, haben sich bei mir bedankt. Und die Oma von einer richtig richtig süßen Kleinen hat mir gesagt, wie oft sie zu Hause von mir erzählt. Das sie mich total in ihr Herz geschlossen hat und sich so freut, über die Liebe und die Aufmerksamkeit, die ich ihr gebe. Irgendwie habe mich das ein bisschen in meiner Art mit den Kindern umzugehen bestärkt und die Oma hat versprochen, ihre Enkelin im nächsten Jahr mal vorbei zu bringen, damit ich sie noch einmal wieder sehe.

War viel los, das Jahr neigt sich jetzt aber dem Ende zu. Es stehen nur noch Staff-Party und großes Putzen an und Samstag sitze ich schon im Flieger nach Johannesburg. Das ganze wird ein großes Abenteuer und ich weiß noch nicht so richtig, ob ich mich darauf freuen soll oder nicht. Hinterher weiß ich da mehr und werde garantiert davon berichten. Vielleicht nicht sofort, weil über Sylvester auch viel los sein wird und ich danach auf großer Westküstentour bin. Endlich reisen !!

Aber noch einmal Danke für all eure Post, Emails, Anrufe und Kommentare. Ich freu mich immer total, wie viele Leute an mich denken.

Ich denk auch oft an euch, an Hamburg und überhaupt. Aber irgendwie bin ich nun auch hier echt zu Hause.

Liebe, liebe Grüße,
eure Luisa