Montag, 13. Dezember 2010

Kurze Meldung vor Weihnachten

2010 ist also fast vorbei und ich in Kapstadt endlich richtig angekommen. In den letzten Wochen ist unglaublich viel in der NWF passiert, freie Zeit gibt es nicht viel und auch wenn wir zu Hause sind, muss dies und das noch vorbereitet und gemacht werden.

Aber damit bin ich voll zufrieden und ich merke, wie die New World mehr und mehr mein Lebensmittelpunkt wird und ich mich einfach immer tierisch freue, morgens in die Organisation zu kommen und all die bekannten Gesichter zu sehen.

Nur mit Juna, der Lehrerin, ist es nicht ganz so einfach... Ich werde wirklich nicht warm mit ihr. Habe keine Ahnung, worüber ich mit ihr reden soll und bin daran auch ehrlich gesagt nicht sonderlich interessiert. Wie sie mit den Kindern umgeht, fand ich von Anfang nicht richtig. Aber hier läuft einfach vieles nach Hierarchie und der leiste ich einfach nicht folge, wenn ich mit den Kindern spiele und sie in den Arm nehme. Das wird dann aber nicht offen angesprochen, vielmehr werde ich mit kalten Blicken gestraft und in letzter Zeit wird mir auch einfach nicht erzählt, was in der Pre-School so geplant ist. Beispielsweise hatten wir ein Christmas-Play für die Eltern, an dem gleichen Tag hatte ich aber eine Filmvorführung für die umliegenden Schulen geplant. Ich hätte locker beides geschafft und jeder der Staff-Member wusste von dem Weihnachtsstück, nur ich nicht und deshalb sollte ich dann auch nicht dabei sein!!

Ein weiterer Höhepunkt war auf jeden Fall das Konzert, vor ein paar Wochen. Wie es halt so ist in Südafrika, war bis zum Schluss nicht alles fertig und am letzten Tag wurden die restlichen Sachen von mir gebastelt und genäht. Alles war aber wirklich nicht zu schaffen, was dann natürlich mein Fehler war, weil ich ja schneller arbeiten oder es mit nach Hause nehmen könnte. Deshalb wurde ich bei der Danksagung am Ende des Konzerts einfach übergangen, obwohl jeder Hans und Franz aufgezählt wurde … Und die Hälfte der Sachen, die ich gemacht habe, wurden dann doch nicht benutzt, weil es gar nicht so viele Kinder gab.

Eigentlich ist das Ganze echt schade. Vor allem weil mein Vorgänger sich so richtig gut mit ihr verstanden hat, aber bei uns wird das glaube ich nichts mehr :) Ich habe einfach andere Leute, die ich viel lieber hab und mit denen ich auch außerhalb der NWF was unternehmen mag.

Ein Gutes hat das Ganze auf jeden Fall, mich plagt das schlechte Gewissen nicht mehr so stark, wenn ich mit den Kinder dicke bin. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie die Pre-School-Arbeit als Fulltimejob-Job sieht, was er aber, vor allem nachmittags, nicht ist. In der letzten Zeit habe ich endlich mit meinem eigenen Leseprojekt angefangen und war deshalb nur halbe Tage in der arikaans-Klasse.

Aber das ist alles wunderbar gelaufen, auf afrikanische Art, aber mir hat es total Spaß gemacht. Jugend gegen Aids e.V., für den ich an der Schule mal Aidsschleifen verkauft habe, wenn ihr euch noch erinnert … ;) hat Gelder bereitgestellt, davon konnte ich 30 Exemplare des Buches „Themba“ kaufen. Die sollten Anfang November ankommen, damit ich genug Zeit habe, mit einer Schulklasse die Thematik vorzubereiten und mit den Kindern Lutz van Dijk, den Autor, in der New World zu treffen. Am Welt-Aids-Tag, dem 1. Dezember, wollten wir den Film zeigen. Die Bücher sind aber erst einen Tag vor dem Autorengespräch angekommen.

Trotzdem hatte ich mit der Gruppe eine super Zeit. Es waren eigentlich um die 13 Kindern, aber nur einmal waren alle da. Ich hatte Kopien von den ersten Kapitel gemacht, ganz viel über HIV/Aids mit ihnen gesprochen und so richtige, richtige Prävention gemacht. Besonders die Mädels hatten Spaß daran, Plakate zu gestalten, die jetzt in der NWF hängen.

Besonders toll fand ich, wie schnell sie Vertrauen zu mir gefasst und Geschichten aus ihrem Leben und ihrer Familie erzählt haben. Eine der Mädchen lebt erst seit einem Jahr in Kapstadt, weil sie mit ihrer Familie aus Simbabwe geflüchtet ist, das war total beeindruckend!

Das Autorengespräch lief dann auch richtig gut. Ich hatte mit der Gruppe Fragen vorbereitet, die eifrig gestellt wurden, manche sogar auf Deutsch.

Die Filmvorführung am darauf folgenden Tag lief dann nicht so nach meinen Vorstellungen :) Es gab technische Probleme, weil irgendwer die Adapter mit genommen hat und wir hatten keinen Ton. Was ein bisschen schade war, aber am Freitag sind die Klassen dann wieder gekommen und um die 150 Kinder konnten „Themba“ sehen. Der Film ist auch richtig gut angekommen, weil sie vieles aus ihrem Alltag wiederentdeckt haben und das Ende praktisch bei ihnen um die Ecke spielt. Außerdem ist Fußball ein so allgegenwärtiges Thema, das den Großteil der Kinder begeistert und die schwere Thematik so wunderbar vermittelt hat.

Am Welt-Aids-Tag habe ich auch noch viele Aidsschleifen verteilt, die ich aus Deutschland geschickt bekommen habe und wirklich jeder, egal ob Kind oder Angestellter hat an dem Tag eine getragen. Ich kann das Gefühl gar nicht richtig beschreiben, aber ich habe mich riesig gefreut so viele rote Schleifen zu sehen.

Mittags bin ich mit einigen lokalen Freiwilligen noch an eine große Kreuzung in die Nähe der New World gegangen. Wir hatten Plakate mit „Hoot 4 safe sex“ um und die gesamte Kreuzung war für 45 Minuten ein einziges Hupkonzert. Dazu haben wir Kondome und Schleifen an die wartenden Menschen in den Autos verteilt und der Unterschied zu Deutschland und Südafrika war mir wieder richtig bewusst.

Ich glaube nicht, das etwas Vergleichbares zu Hause möglich gewesen wäre. Zwischen den stehenden Autos umher zu laufen, mit den Fahrern zu schnacken, von überallher Kommentare zugerufen zu bekommen und einfach so unfassbar viel Spaß zu haben, die anderen Leute auch zu motivieren zu hupen.

Also der Welt-Aids-Tag und die Woche darum war richtig super, aber auch richtig anstrengend. Hinzu kam, dass wir in der Woche auch unsere Christmas-Aftercare-Party hatten. Und auch für die musste vieles vorbereitet werden.

Die Kinder haben ein Krippenspiel aufgeführt, gesungen, getanzt und andere kleine Szenen vorgeführt. Das alles im kleineren Rahmen stattgefunden hat war richtig gut, da sich so nicht alles verlaufen hat. Wir hatten Chips, Hot Dogs und Pommes vorbereitet (21 kg Kartoffeln haben wir dafür geschält!!) und es war so richtig schön.

Die Kinder mussten einzeln nach vorne kommen, um sich ein Zertifikat abzuholen und von allen Volontären einmal in Arm genommen zu werden. Sonst ist es halt echt nicht einfach mit ihnen. Sie sind laut und aggressiv, beschimpfen sich gegenseitig und gehen mit den Freiwilligen auch nicht besonders respektvoll um. Aber an dem Abend herrschte eine ganz andere Stimmung und als sie ihre Zertifikate bekommen haben, hat man in vielen Gesichtern eine Mischung aus Dankbarkeit, Unsicherheit und vielleicht auch ein bisschen Trauer gesehen.

Sie haben es halt echt nicht leicht. Viele wirken älter als sie sind, weil sie von klein auf mit schlimmen Geschichten und Schicksalen konfrontiert werden, die sie enorm abhärten. Aber sie sind alle noch Kinder, richtige Kinder, die Anerkennung und Geborgenheit brauchen. Die bekommen sie zu Hause kaum, deshalb kommen sie jeden Nachmittag zu uns. Auch an dem Abend waren nur wenig Eltern da. Und was furchtbar war, von einem der „richtig harten“ Mädchen war nur die Oma da. Die war aber total betrunken, hat mir zu erst erzählt, dass die Mutter des Mädchen sowieso nie zu so was kommen würde und hat dann angefangen voll rum zu pöbeln und mich anzumachen, weil ich ihr angeblich das Zertifikat ihrer Enkelin nicht geben wollte. Ich hatte dieses Papier aber nicht einmal in der Hand und hab ihr versucht das klar zu machen, was die Lage nicht besser gemacht hat.

Ein Freiwilliger ist dann dazwischen gegangen und hat das für mich geklärt, ich war trotzdem stark verwirrt.

Zum Abschluss haben wir dann alle noch „We are the World“ zusammengesungen. Wir standen mit den Kindern vorne, die wenigen Eltern sind alle aufgestanden, haben mitgesungen und mitgetanzt. Das hat mir dann den Rest gegeben :)

Jetzt haben wir erstmal Ruhe vor den Kindern, die kommen erst Mitte Januar wieder. Das ist sehr merkwürdig, weil ich die sonst jeden Tag gesehen habe.

Pre-School ist nun auch vorbei, die Kinder werde ich wohl nicht wieder sehen, was mich ein bisschen traurig macht. Letzte Woche waren wir zum Abschluss nochmal mit allen 120 Kindern im Freibad. Das Schwimmen an sich hat dann nur 20 Minuten gedauert, vom dem Wasser war nicht viel zu sehen, weil so enorm viele schwarze Köpfe auf einem Haufen waren. Am nächsten Tag gab es Bescherung und jeder hat eine Kleinigkeit bekommen (120 Geschenke, von mir eingepackt und gezählt). Wir haben Weihnachtslieder gesungen, Father Christmas kam vorbei und ein Kind hat angefangen zu heulen, was ich sehr sympathisch fand, weil ich mich auch immer vor dem Weihnachtsmann versteckt habe :)

Und dann gab es noch die Graduation, eine Sache für sich. Die Kinder werden nächstes Jahr zur Primary School gehen, haben die Vorschule nun abgeschlossen. Eigentlich nicht so das Spektakel. Deshalb habe ich den Sinn der Graduation nicht richtig verstanden, habe mich aber trotzdem drauf gefreut. Nur wusste ich nicht, was für einen hohen Stellenwert das Ganze hier hat und bin schön entspannt in Shorts da angekommen und jeder war so richtig aufgetakelt. Die Mädchen hatten alle weißen Rüschenkleider an, die Haare waren geglättet, ein paar geschminkt. Die Jungen waren in Anzughose und weißen T-Shirt oder Hemd unterwegs. Auch die Lehrer sahen richtig schick aus. Naja … bis auf mich.

Am Ende haben wir noch Bilder gemacht und mir ist so richtig bewusst geworden, dass das jetzt der Abschied von meiner ersten südafrikanischen Klasse ist. Viele kamen zu mir, haben sich bei mir bedankt. Und die Oma von einer richtig richtig süßen Kleinen hat mir gesagt, wie oft sie zu Hause von mir erzählt. Das sie mich total in ihr Herz geschlossen hat und sich so freut, über die Liebe und die Aufmerksamkeit, die ich ihr gebe. Irgendwie habe mich das ein bisschen in meiner Art mit den Kindern umzugehen bestärkt und die Oma hat versprochen, ihre Enkelin im nächsten Jahr mal vorbei zu bringen, damit ich sie noch einmal wieder sehe.

War viel los, das Jahr neigt sich jetzt aber dem Ende zu. Es stehen nur noch Staff-Party und großes Putzen an und Samstag sitze ich schon im Flieger nach Johannesburg. Das ganze wird ein großes Abenteuer und ich weiß noch nicht so richtig, ob ich mich darauf freuen soll oder nicht. Hinterher weiß ich da mehr und werde garantiert davon berichten. Vielleicht nicht sofort, weil über Sylvester auch viel los sein wird und ich danach auf großer Westküstentour bin. Endlich reisen !!

Aber noch einmal Danke für all eure Post, Emails, Anrufe und Kommentare. Ich freu mich immer total, wie viele Leute an mich denken.

Ich denk auch oft an euch, an Hamburg und überhaupt. Aber irgendwie bin ich nun auch hier echt zu Hause.

Liebe, liebe Grüße,
eure Luisa

Montag, 22. November 2010

Lang lang ist's her …

Aber alles ist ziemlich gut, hier unten am Kap. In den letzten Wochen ist viel passiert, die Arbeit in der NWF bringt total Spaß. Ich lerne die Kinder richtig gut kennen und afrikaans zu reden und zu verstehen wird ein immer kleineres Problem. Richtig gut hören tun sie zwar immer noch nicht, wenn Juna aus der Klasse geht, bricht ab und zu noch ein kleiner Tumult aus. Dafür bekomme ich aber Süßigkeiten von den Kleinen angeboten, sie malen mir Bilder und einer hat mir eine Murmel geschenkt, für meine Kinder „there by Germany“.

Von Juna bekomme ich auch mehr Verantwortung übertragen, zusammen bereiten wir Hänsel und Gretel mit den Kindern für das Abschlusskonzert vor. Ich muss viel basteln, mir Requisiten und Kostüme überlegen. Sonst gibt es auch mehr in der New World zu tun. Es geht aufs Ende des Jahres zu, zwei Theaterstücke sollen außerdem noch aufgeführt werden, bei denen wir Deutsche richtig integriert werden. Wir haben mit den Eltern vom Aftercare einen Bazar geplant und organisiert. Der war ein voller Erfolg und von dem Erlös sollen Schreibutensilien für das neue Schuljahr gekauft werden.

Außerdem habe ich jetzt eine Nähmaschine und die Kinder sollen im Januar „Aftercare-bags“ bekommen, die ich noch machen muss.

Zum Welt-Aids-Tag gibt es auch große Planungen. Diese Woche soll ein Leseprojekt starten, dass ich mit 20 Kindern von einer der umliegenden Schulen machen werde. Wir lesen zusammen Themba und das Thema HIV/Aids soll natürlich auch behandelt werden. Einen genauen Plan habe ich noch nicht, aber viele Ideen. Erst einmal müssen ohnehin die Bücher ankommen.

Ende November kommt dann der Autor in die NWF und am 1.12. wollen wir den Film dazu zeigen. Außerdem soll in der Woche danach ein großes Fußballturnier stattfinden, bei dem wir HIV/Aids mit einbinden wollen. Dazu müssen Ideen gesammelt und sich von anderen NGO's beraten werden.

All das nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Es gibt Meetings, die bis in den Abend gehen und dann sind elf oder zwölf Stunden Tage keine Seltenheit. Mir bringt das alles richtig Spaß. Es ist toll, alle Facetten der NWF kennen zu lernen und richtig Verantwortung übertragen zu bekommen. Anfangs hatte ich eher das Gefühl, dass meine Arbeit auch jeder andere machen kann. Matratzen auf den Boden und Farbe auf den Tischen zu verteilen, füllt einen halt nicht so ganz aus …

Aber merke ich auch immer noch, wie anders Lavender Hill als alles ist, was ich kenne. Die Mentalität der Südafrikaner, ihre herzliche Art, ihre Offenheit und Spontanität mag ich jeden Tag mehr. Und an die „african time“ gewöhne ich mich leider zu gut. Trotzdem gibt es noch Situationen, in denen mir ihr Verhalten nicht ganz richtig vorkommt.

Extrem ist es mit einem Mädchen aus der Vorschule. Sie war lange nicht da. Aber wo sie ist und ob sie wiederkommt hat eigentlich niemanden gekümmert. Vor 3 Wochen hat ihr Vater sie aber wieder in unsere Klasse gebracht, was mich im ersten Moment sehr froh gemacht hat. Schon bevor sie verschwunden ist, hat man gemerkt, dass sie irgendwie verstört ist. Das ist aber noch viel schlimmer geworden. Sie hat einfach so die krassen Stimmungsschwankungen. Wenn irgendwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft, rastet sie total aus. Sie schlägt wie wild um sich, wenn sie mal keine Lust hat mit jemanden sein Spielzeug zu teilen. Fängt an zu weinen und schmeißt sich auf den Boden, wenn jemand sie im falschen Moment anspricht. Aber nach maximal 10 Minuten ist dann alles wieder gut, und sie ist wieder das fröhlichste Mädchen, dass man sich vorstellen kann.

Juna hat dann erzählt, dass sie mit ansehen musste, wie ihr Bruder vergewaltigt wurde und sie seitdem einfach völlig traumatisiert ist. Wenn sie ausrastet soll ich mich aber nicht weiter um sie kümmern, weil sie nach einer Zeit alleine klarkommt. Als mir das erzählt wurde, wusste ich gar nicht was ich denken oder fühlen soll. Ich kann und will mir einfach nicht vorstellen, was so was mit einer Kinderseele anrichtet.

Noch schwerer finde ich es aber, mit ihr umzugehen. Ihr Verhalten kann man so einfach nicht durchgehen lassen. Auf der anderen Seite, weißt man aber, was ihr passiert ist. Und ich sehe jeden Nachmittag ihren mehr als überforderten Vater, mit dem sie häufig gar nicht nach Hause gehen will. Juna kennt ihn schon von klein auf und er hat wohl eine bipolare Störung, nimmt Medikamente und wohnt mit seinen 2 Kindern momentan alleine. Für ihn ist das gewiss auch alles andere als einfach, aber sehr liebevoll geht er mit ihr einfach nicht um. Dann will ich sie nicht auch noch vor den Kopf stoßen und gemein zu ihr sein. Oder sie ihn Ruhe lassen, weil auf eine ganz merkwürdige Weise ist ihr Verhalten, glaube ich, ein Schrei nach Aufmerksamkeit.

Ich bin gespannt, wie das weitergeht … Es ist nur schade, dass die Kinder in gut einem Monat gehen und im neuen Jahr dann in der Primary School starten. Ich habe mich gerade so gut an alle gewöhnt. Aber ein bisschen gespannt auf die Neuen bin ich auch. Die Mamas aus der Küche haben mich schon gewarnt, dass in den ersten zwei Monaten richtig viele weinen werden.

Aufs Aftercare freue ich mich nachmittags auch immer, obwohl so ein Mittagsschläfchen mir nach der Pre-School schon nicht schlecht tun würde … :)

Die Kinder fangen langsam an, Vertrauen zu uns aufzubauen. Abgesehen von völlig unnötigen, pubertären Kommentaren, erzählen sie auch, was sie beschäftigt und in der Community los ist. Das hat eigentlich immer mit Gewalt und Gangstern zu tun. Die Schießereien sind wieder in vollem Gange, vorletzte Woche wurde ein Mädchen vergewaltigt und brutalst ermordet. Und das nur, weil sie gesehen hat, wie welche geschossen haben. Der Großteil kannte sie auch und waren mit ihr befreundet. Und das ist dann schon eine andere Nummer, als Geschichten über Familien erzählt zu bekommen …

Und dann wurden im Girls Club auch neulich Minkes und mein Portemonnaie gestohlen. Die Taschen waren an völlig unterschiedlichen Orten. Mich hat es auch eigentlich nicht groß gestört, weil es einfach klar war, das so etwas früher oder später passieren würde. Außerdem waren die anderen Wertsachen, wie Kamera und Laptop noch da. Ich habe meins ohne Bargeld im Mülleimer der Mädchentoilette wiedergefunden. Einen Verdacht hatten wir von Anfang an, der wurde von den Anderen auch bestätigt. Es war wohl eins der Mädchen aus dem Girls Club, das aber nur sehr unregelmäßig kommt. Die Kinder haben daraufhin beschlossen, dass sie ab sofort nicht mehr in die New World kommen darf und haben richtig krass für uns Partei ergriffen. Es ist nur einfach ein blödes Gefühl, dass du von Kindern denen du irgendwie helfen willst, beklaut wirst. Aber spiegelt es auch ganz gut Lavender Hill mit all seine Problemen wieder.

Also ihr seht, die Arbeitstage sind voll und nicht immer einfach. An den Wochenenden bleibt aber auch kaum Zeit zum Ausruhen, weil immer richtig viel geplant ist. In der letzte Zeit sind wir die Küste runtergefahren und haben Wale gesehen, haben andere deutsche Freiwillige in ihren Township und deren Gastfamilien besucht. Freitagabends gibt es immer öfter deutsche Bundesliga, die wir bei Marius gucken. Wir waren an der UWC, der University of Western Cape, allerdings unter der Woche. Während der Apartheid war das die Universität der Farbigen und auch wenn die Zeit seit über 16 Jahren vorbei ist, hat man nur ganz wenige Weiße und Schwarze gesehen.

Die Rassentrennung ist so allgegenwärtig. An einem Wochenende waren wir zum Grillen bei irgendwelche Freunden von Freunden von Jans Familie eingeladen. Die waren weiß und nach viel Wein gingen auch so die heftigsten Diskussionen los. Das Apartheid ja gut war und alle in ihren Bereichen gelebt und das getan haben, was für die Rasse gedacht ist. Die Schwarzen und Farbigen bekommen momentan auch viel zu viele Privilege und Rechte, die guten Jobs, Hilfe beim Hausbau und alles. Ich saß da einfach nur und war total perplex. Natürlich denke ich nicht so, aber viel dagegen konnte ich einfach auch nicht sagen. Zu Wort gekommen ist man bei den beiden Männern sowieso nicht, außerdem bin ich in dem System nicht aufgewachsen, als Ausländerin in das Land gekommen, auch erst 19 Jahre alt und vor allem waren wir zu Gast bei denen und dann kann man nicht sagen, dass alles was die denken der totale Mist ist. Die Höhe war dann nur, als sie den Hass der Weißen auf die Schwarzen in Südafrika mit dem Hass der Deutschen auf die Türken verglichen haben. Da bin ich innerlich so krass wütend geworden und hab versucht, ihnen das ganz schnell wieder auszureden.

Sonst ist unser Programm außerhalb von Lavender Hill aber wirklich richtig klasse. Wir waren an mit unseren Township-Fußballmannschaften an der deutschen Schule, die einfach nur heftig ist. Aber eins unserer Teams hat gewonnen!! Ich kann jetzt typisch afrikanisches Essen kochen, wir haben die Kinos von Kapstadt kennengelernt, waren feiern, vor allem mit einer Truppe von Südafrikanern und Deutschen ist es immer witzig und man konnte draußen ohne Jacke rumlaufen :) Bei einer 12-Stunden Tour durch die Karoo-Wüste haben wir das absolute Nichts gesehen und zum ersten Mal haben wir bei uns gebraait (dick gegrillt) und damit einen anderen Deutschen zu seinem Geburtstag überrascht. Letztes Wochenende haben wir endlich eins der Touridinge in Angriff genommen und sind ans Kap der guten Hoffnung gefahren. Wahnsinnig schön ist es da, vor allem weil wir eine menschenleere Bucht gefunden haben, die der schönste Ort ist, an dem ich je war. Außerdem haben wir endlich Baboons, eine Affenart die hier sehr verbreitet sein soll, und Strauße mitten auf der Fahrbahn gesehen.

Voll viel habe ich bestimmt vergessen, dass ist aber im Großen und Ganzen hier los. Nächste Woche machen wir vielleicht mal unsere Einführungstage. Nach 3 Monaten wäre das auf jeden Fall nicht schlecht. Wir fahren dann nach Robben Islands, besuchen einige Museen und sehen andere Townships.

So meine Lieben, Gewissen beruhigt und bald melde ich mich mal wieder.

Grüße in den tiefsten Herbst und überall sonst hin, auf die Welt :)

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Awe Bagamiso …

Die Normalität ist nach den Schulferien wieder in der NWF eingekehrt. Zum Glück :)
Letzte Woche waren statt 6, bis zu 18 Kinder in der Pre-School, die ich mit einer anderen Deutschen alleine zu betreuen hatte. Das war richtig anstrengend und je mehr die Kinder mitbekommen haben, dass wir auch keine Ahnung haben, desto chaotischer war alles. Die Spiele, die ich mir überlegt habe, wurden nicht verstanden. Das liegt nicht nur an der Sprache, vielmehr an dem mangelnden Teamverstädnis, dass die Kinder haben.

In der Pre-School hatte ich aber nur bis Mittwoch zu tun, dann waren die Lehrerinnen zurück. Am Donnerstag konnte ich mit den anderen aus meinem Theorieunterricht zum Traffic Department fahren, um mich für meine Theorieprüfung anzumelden. Und das war Südafrika deluxe … :)

Treffen war für viertel nach 7 an der NWF angesetzt. Als pünktliche Deutsche habe ich das natürlich auch eingehalten, weil wer um halb 8 nicht da wäre, sollte nicht mitkommen. Soweit abgesprochen, in der Praxis aber Pustekuchen !! Ich war eine der ersten, nach und nach kam der Rest an. Dann waren wieder welche weg. Bei dem Shop um die Ecke oder sie sind wieder nach Hause gegangen. Der Fahrlehrer war auch ab und zu verschollen und um 9 ging es dann langsam in den Van. Bei ich erstmal schön die Tür ausgehebelt habe. Das erste Traffic Department war dann falsch, das zweite haben wir erst nach einer Stunde gefunden. Da herrschte dann auch die reine Bürokratie und am Ende mussten alle auf mich warten, weil ich erst registriert werden musste.

Gegen zwei waren wir wieder zurück. 10 Uhr war eigentlich angepeilt. Dafür aber gut gesättigt. Wir hatten zum Lunch Gatsby, ein riesiges Sandwich in dem Pommes, Fleisch, Salat und Sauce drin ist. Schmeckt arg fettig, macht aber satt und ist so richtig Fast Food :)

Eigentlich wollten wir mit Marius noch ein paar Museen in Kapstadt anschauen, das wurde dann gekippt und stattdessen haben wir einen Filmnachmittag in der NWF gemacht.

Am Freitag hatte ich auch Pre-School frei und insgesamt zu acht sind wir in die Stadt gefahren. Das Artscape Theatre hat zum Tag der offenen Tür geladen und wir haben uns mit Minitaxi und Zug auf den Weg gemacht. Vor Ort war der Tag der offenen Tür aber nur ein Gerücht. Stattdessen wurde eine Führung improvisiert und dann haben wir auf dem Vorplatz getrommelt. Alle haben einfach getanzt und irgendwelche Rhythmen gespielt. Das hat mir sehr gefallen. Zum Mittag dann wieder Gatsby in einem Park in Kapstadt.

Zu Hause kam dann der Hammer. Wir sind nun stolze Besitzer eines Fernsehers, mit ganzen 4 Fernsehprogrammen, immerhin in Farbe :)

Am Samstag haben wir uns endlich an die Stadtrundfahrt getraut. Das war das absolute Touristenprogramm, aber wunderschön. Nun haben wir einen ungefähren Überblick von der Millionenstadt. Wir waren in Camps Bay, dem Strand der Reichen und Schönen, konnten in superteure Villen am Hang rein spähen. In der Stadt gab es auch zahlreiche Stops und vom Tafelberg aus, ist der Blick über Kapstadt einfach einmalig.

Gegenprogramm lieferte dann der Sonntag. Zum ersten Mal seit langer Zeit ging es wieder in die Kirche. Predigt war noch immer auf afrikaans, von daher gut öde.

Danach sind wir aber zum ersten Mal so richtig ins Township gegangen. Die Mutter von einem Fußballcoach hatte Geburtstag und wir waren zum Lunch eingeladen. In unserem Umgebung gibt es zwei verschiedenen Arten von Townships. Nach Lavender Hill wurden vielen Menschen aus dem District 6, mitten in Kapstadt, zwangsumgesiedelt. Von daher mussten unter der Apartheid binnen kürzester Zeit viel Wohnraum entstehen, Mehrfamilienhäuser wurden gebaut. Von der Größe entsprechen diese ungefähr einem Komplex von vielleicht sieben Reihenhäusern. 3 Stockwerke hoch, die Treppen sind draußen angebracht, wohnen 120 Menschen auf engsten Raum zusammen. Die Wohnung ist insgesamt so groß wie unser Wohnzimmer in Hamburg und umfassen neben Küche und Bad ein kleines Wohnzimmer und zwei winzige Schlafräume.

Bei dem Soccercoach wohnen mindestens 6 pro Nacht zusammen. Er, seine beiden jüngeren Brüder, Papa, Mama und Oma. Drei Generationen auf super kleinen Raum zusammengepfercht. Doch kann ich mir auch vorstellen, dass mal andere Familienmitglieder oder sein Kind bei ihnen schläft. Privaten Besitz gibt es kaum, für Schränke gibt es kein Platz.

Als wir kamen wurde mit einigen Nachbarn gerade Domino gespielt und in der Küche Unmengen von Essen gemacht. Wir haben mitgeholfen und gespielt, mit der Oma geredet, die zehn Kinder, unzählige Enkel und Urenkel hat. Gegessen wurde aber nicht zusammen. Ein großes Esstisch gab es einfach nicht und jeder hat es sich auf einem Bett oder dem Sofa bequem gemacht. Als Gäste haben wir als erstes Essen bekommen. So richtig viel und so richtig lecker, auch wenn ich voll das schlechte Gewissen hatte, weil ich auch mit weniger klar gekommen wäre.

Gegen Nachmittag sind wir dann wieder gefahren, die ganze Familie stand auf dem Treppenabsatz und hat uns nach gewunken.

Anschließend haben wir dann das andere Townshipleben kennengelernt. Ein Freiwilliger aus der NWF wollte afrikanisch für uns kochen.

Wahnsinnig viele kleine Straßen, Wellblechhütten rechts und links, viele Menschen und viele Hunde, die den ganzen Tag draußen sind. So hatte ich mir das typische Township vorgestellt. Der Freiwillige wohnt alleine mit seinen 3 kleinen Geschwistern zusammen. Er ist vor 3 Jahren aus Johannesburg gekommen, seine Vater kennt er nicht und seine Mutter ist vor einem Jahr gestorben. Aber er geht zur Schule, was hier nicht selbstverständlich ist, arbeitet bei Mc's und engagiert sich viel in der Zeit, die er dann noch hat.

Wir haben nochmal so richtig viele Leute kennengelernt. Eine Freundin hat Minke und mir die Haare geflochten und ständig kam irgendwer rein, hat sich gesetzt und mit uns geredet. Die meisten rochen stark nach Alkohol und waren gut betrunken. Am Anfang war das noch ganz lustig, aber als man immer mehr Menschen begegnet ist und realisiert hat, dass das wohl immer so ist, hat einen das nur traurig gemacht, weil die Menschen wirklich nichts anderes haben. Gut gegessen haben wir dann auch noch mal, richtig afrikanisch. Aber ich habe keine Ahnung wie man das schreibt :)

In der NWF wird im Aftercare das Weihnachtsstück nun vorbereitet, was mich eigentlich voll beschäftigt und auch richtig Spaß macht. Dann ist die Pre-School nebenbei auch gar nicht mehr so anstrengend.

so reicht erstmal :)

Sonntag, 26. September 2010

Heritage Day

Am Freitag haben wir endlich einen der vielen südafrikanischen Feiertage miterlebt. Heritage, das kann man am besten mit irgendwas zwischen Herkunft und Erbe übersetzen, wurde gefeiert und die NWF hat ein „against crime“-Event in Lavendar Hill organisiert. Geld war keins vorhanden, und das provisorische Equipment sich von anderen Hilfsorganisationen zusammen geliehen. Losgehen sollte es laut Plan um 10. Eine halbe Stunde vorher waren wir da und der Aufbau fing gerade an. Gegen 11 startete dann das Programm, gestresst war keiner.

Es sind viele Kinder und Jugendliche aus der Umgebung aufgetreten, haben gesungen und getanzt. Und wie so oft ist mir aufgefallen, wie erstaunlich deren Kraft und der Ausdruck ist. Einige Kinder und Volontäre aus dem Aftercare haben auch gesungen und während wir zum ersten Mal ein bisschen um das Gelände der NWF gelaufen sind, kamen von überall Kinder angerannt. Einige haben mich aus der Vorschule wieder erkannt und meinen Namen geschrien, andere fanden es einfach nur spannend, „Weiße“ kennen zu lernen. Und nur von einem Mädchen wurden wir angebettelt.

Angeschlossen an das „Bühnen“- Programm, fand ein Soccer-Tunier statt. Von da an bot sich mir ein Bild, wie ich mir ein Township in Südafrika immer vorgestellt habe. Auf einer ziemlich zugemüllten Rasenfläche, tummelten sich viele farbige Kinder. Manche in Trikots, manche mit richtigen Sportschuhen, manche in Schlappen und Jeans. Ein Mädchen sogar in Schlafanzug und Bademantel. Überall wurde mit Bällen gespielt, viele Fallrückzieher geübt oder andere heftigen Sportsachen gemacht. Es gab einen großen Grill von dem Burenwürste verkauft wurden (ziemlich lecker und ziemlich südafrikanisch) und keiner hatte so richtig einen Plan, aber alle hatten Spaß. Von vielen der anderen Freiwilligen haben wir die Familien kennen gelernt. Von zwei Volontären hab ich auch zum ersten Mal den Nachwuchs gesehen. Die haben schon dreijährige Kinder!

Das Ganze ging insgesamt 8 Stunden, gut zwei länger als geplant. Aber hier läuft halt alles nach südafrikanischer Zeit. Eigentlich auch gar nicht schlimm, weil mit dem Auto könnten wir ja fahren, wann wir wollen. Aber das gibt seit Donnerstagabend auf dem Pick'n Pay Parkplatz keinen Murks mehr von sich. Wir wollten nur kurz Wäsche abholen und einkaufen gehen und sind dann nicht mehr los gekommen. Marius ist zum Glück vorbeigekommen und hat uns zur Farm geschleppt. Da haben wir dann zu dritt das Auto angeschoben und irgendwann ist es auch angesprungen. Auf zur Tankstelle und Batteriewasser nachgeladen, ging es auch nicht mehr von alleine an. Auch langes rumfahren hat nichts genutzt und jetzt müssen wir bis Montag warten, damit die alte Karre in die Werkstatt kann.

Eigentlich schade, weil wir morgen endlich die Stadtrundfahrt machen wollten. Aber wir sind bei Marius zum Grillen und Bundesliga gucken eingeladen. Eigentlich wäre das heute schon angesagt, weil Heritage-Day auch National-Braai-Day genannt wird. Sozusagen „Nationaler Grill Tag“, was die Südafrikaner viel und gern machen und irgendwie ihre Herkunft ist. Aber wir waren den ganzen Tag bei der New World und haben da mit Burenwürsten gebraait und wurden schon wieder zu vielen Sachen eingeladen.

Weg waren wir auch schon am Mittwoch. Mit einem von der NWF und dem Freund der alten Freiwilligen in einem super Café-/ Kneipending , wo „Open Mic“ war und jeder Amateurmusiker, spielen kann. Auf einmal waren dann so richtig viele Deutsche um uns rum. Aber auch mit vielen Südafrikanern konnte ich reden.

Oooh und nächsten Donnerstag habe ich wahrscheinlich meine Theorieprüfung. Die kostet hier mit Unterricht inklusive, einfach mal 16 Euro. Hoffentlich hab ich dann bald meinen Führerschein und kann in einer alten, schrottplatzreifen Karre im Linksverkehr, durch Kapstadt brettern :)

Internetstick geht immer noch nicht, dafür habe ich eine Nähmaschine in Sicht.

Grüße aus Kapstadt !

Donnerstag, 23. September 2010

Vom vorletzten Wochenende ... :)

Der erste Monat ist nun schon vorüber, ich gewöhne mich immer mehr an den Gedanken, dass ganze nächste Jahr in Kapstadt zu verbringen. Das liegt vor allem an dem tollen Wochenende, an dem ich so viele Dinge zum ersten Mal erlebt habe.

Angefangen mit einer Beerdigung (nicht ganz so toll), die am Freitag vormittag in der Kirche neben uns war. Die Verstorbene kannte ich zwar nicht mal vom sehen, trotzdem hat mich eine der Lehrerinnen mit genommen, damit ich einmal ein richtig afrikanisches „funeral“ sehe. Die Kirche war brechend voll, ich hab mich nur an Eingang gestellt. In normalen, bunten Klamotten und als eine der wenigen Weißen hab ich mich mehr als fehl am Platz gefühlt. Vorne wurde gesungen und direkt vor mir lag der offene Sarg. Die Trauergäste kamen rein, haben ein Stückchen Baumwolle genommen und um den Kopf der Verstorbenen gelegt und sich ein letztes Mal verabschiedet. Nach 5 Minuten sind wir zum Glück wieder gegangen, ich glaube ich hab mich in den letzten 4 Wochen nie so unwohl gefühlt.

Freitagabend waren wir dann das erste Mal richtig feiern. Mit zwei lokalen Freiwilligen aus der New World, das war witzig. Mir ist nur aufgefallen, wie sehr ich den HVV und die Sicherheit Hamburgs vermisse. Und darauf möchte ich auch nicht auf immer verzichten. Also Transportsysteme und das man nachts auch mal alleine über eine Straße gehen kann. Es war so kompliziert, das Ganze zu planen und man konnte nicht einfach sagen, welchen Bus man nimmt und das man sich irgendwie aufm Berg trifft ;)

Samstag morgen ging es dann nach Observatory mit zwei Anderen aus der New World. Total nettes Studentenviertel, das eigentlich nur aus einer tollen Straße besteht. Mit Cafés, Buch- und Plattenläden. Ein bisschen wie die Schanze in klein. Zum ersten Mal sind wir mit den legendären Minitaxen und Vorortszügen in die Stadt gefahren. Und alle Reiseführer haben gelogen! Ich hab mich nicht einmal unwohl oder gefährdet gefühlt. Nur heiß und stickig war es.

Der Frühling kommt nämlich allmählich. Sonntag waren wir mit kurzer Hose und T-Shirt zum ersten Mal am Strand. Ein Freund der ehemaligen Freiwilligen hat uns mitgenommen, wir sind durch die ganzen kleinen Strandorte und durch die Berge gefahren. Die Landschaft ist wirklich unbeschreiblich hier. Auf der einen Seite hat man Berge und auf der anderen Seite den türkis klaren Indisches Ozean. Zum Schwimmen war es noch eindeutig zu kalt. Durch den Ozean weht eigentlich immer ein frischer Wind. Der sogenannte „Cape Doctor“, der das Western Cape sauber und rein hält.

Dafür, und das war eigentlich viel besser als Schwimmen, haben wir Pinguine gesehen. Eine Viertel Stunde Autofahrt von „zu Hause“ weg, liegen Pinguine am Strand und am Wegrand und watscheln munter durch die Gegend. Ich hoffe, dass ich die Bilder wirklich bald mal hoch laden kann, weil es einfach so unvorstellbar ist !!

Auf dem Rückweg haben wir noch in Muizenberg Halt gemacht. Das ist der Strand, an dem wir praktisch wohnen und Mechak hat uns die netten Ecken gezeigt. Total das bunte Treiben, wegen einem Straßenfestival, dass da stattgefunden hat. Wir haben noch einen anderen Deutschen kennengelernt, der seit einem Jahr in einem Kinderheim in Kapstadt arbeitet. Total komisch inmitten von Südafrikanern auf einmal mit jemanden, also nicht Minke oder Jan, deutsch zu reden.

Unter der Woche wollen wir jetzt auch mehr unternehmen, damit sich unser Abendprogramm nicht auf Helge Schneider, Simpsons und Kochen beschränkt. Morgen geht' s in eine Mall bei uns. Ich will endlich, dass der Internetstick auch bei mir geht, Briefe sollen losgeschickt und Fotos gedruckt werden. Und ich hoff, ein Buch für den Theorieunterricht hier zu bekommen, um bald, ganz bald meine Theorieprüfung machen zu können.

Kapstadt hat auf jeden Fall mehr zu bieten, als ich auf den ersten Blick gedacht habe. Wandern gehen steht auch noch ganz oben auf unser Liste. Vielleicht schon nächstes Wochenende.

Bis dahin :)
Luisa

Mittwoch, 8. September 2010

Neues aus Lavendar Hill

So meine Lieben,

alles unverändert gut hier in Lavendar Hill. Sogar noch besser, weil die Gangs wohl erstmal Frieden geschlossen haben und es wieder ruhig auf den Straßen geworden ist.

Ich versuch mich auch mal kürzer zu halten :)

Bei der Arbeit klappt auch alles besser und ich fange an Juna mehr und mehr zu verstehen. Wenn sie den Kindern mit einem Lineal auf die Finger haut, entschuldigt sie sich (wenn auch nur bei mir) und sagt, dass sie zu Hause leider nicht anders behandelt werden. Das sei „die einzige Sprache, die sie verstehen“, auch wenn es ihr schwer fällt. Trotzdem baue ich eine ganz andere Beziehung zu den Kindern auf. Aggressiv werde ich auch manchmal, versuch das dann runterzuschlucken und sie hören auch immer besser auf mich.

Im Aftercare ist auch alles beim Alten. Jeder Tag ist nur auf eine andere Weise anstrengend, weil irgendwas immer schief läuft. Die Teilnehmer sauer aufeinander sind, einer in der Ecke stehen muss und von der Gruppe getrennt wird. Die Gruppe fängt gerade mit den Vorbereitungen für das Weihnachtsspiel an, ständig werden Weihnachtslieder geträllert und vor allem bei den Mädchen hört sich das so wunderschön an ...

Am Wochenende waren wir zum ersten Mal alleine in dem alten Opel Monza auf den Straßen Kapstadts unterwegs. Eine wirkliche Höllenautofahrt. Wir wollten zuerst Fußballschuhe für Jan kaufen, haben jede Ausfahrt verpasst, hatten keine detaillierte Straßenkarte und jedes Mal beim Anfahren hat die alte Karre so dermaßen aufgeheult, dass sich nach uns umgeschaut, wir häufiger mal ausgelacht wurden. Problem war nämlich, dass er beim Anfahren vom ersten in den dritten Gang rutscht, ohne dass mans merkt. Wir sind relativ schnell von unserem ursprünglichen Plan abgekommen, eine Stadtrundfahrt zu machen und waren stattdessen in Kirstenbosch, einem botanisches Garten. Vor allem Minke hat sich über die Flora und Fauna gefreut und die beiden haben so dermaßen viele Bilder von wirklich jeder Pflanze gemacht. War trotzdem witzig.

Auch lernen wir laufend neue Leute kennen, die irgendwas mit uns machen wollen. Plan fürs Wochenende steht schon grob, darauf freu ich mich :) Allerdings werden wir von den Deutschen immer wieder gewarnt, vorsichtig zu seien. Bei allem was erzählt und versprochen wird sollen wir immer 50 % abziehen, damit es halbwegs der Wahrheit entspricht.

Langsam fang ich auch an, all die alltäglichen Dinge zu vermissen. Allen voran Mama und ihre Kochkünste ;-) Aber auch einen Fernseher. Wenn wir mit den Kindern in TV-Room gehen, feier ich das immer stark. Neulich gab es Toy Story und ich habe voll mitgefierbert. Viel mehr, als die Kinder selber und es war schön mal wieder so richtigen Nonsense zu schauen.

Afrikaans lerne ich auch jeden Tag ein bisschen. Die Vorschulkinder bringen mir gerade zählen bei und wenn ich mich anstrenge, verstehe ich auch worüber sich unterhalten wird. Richtig witzig ist, das „lekker“ gut heißt und ganz viel vom lekker dag gesprochen wird, wenn man einen guten Tag hatte.

So weit erstmal von mir. Eure Karten kommen nach und nach an. Über jede freue ich ganz wahnsinnig und sie werden alle an meine Tür gepinnt :)

Und das Hochladen der Fotos will ich auch bald regeln. Hab schon ein paar als Email verschickt, versuch sie aber in einem Internetcafé bald auf meinem Blog zu veröffentlichen !!

Dienstag, 31. August 2010

Ein 26.tel ist schon vorbei ;)

Meine ersten zwei Wochen sind nun fast rum. Und ich könnte so unglaublich viel erzählen …
Wir werden immer mehr Teil von der NWF und den Leuten dort. Meine Arbeit schaut im Moment hauptsächlich so aus, dass ich vormittags in der Pre-School und ab 3 Uhr hoch zum Aftercare-Programm kann. Das ist echt mega anstrengend und ich bin immer gut fertig, wenn ich gegen 5 nach Hause komme.

In der Afrikaans-Klasse, in der ich „assistiere“ gibt es 30 Kinder, um die 5 Jahre und die Lehrerin Juna. Der Lärmpegel ist mit absolut keiner Klasse in Deutschland zu vergleichen und es ist nahezu unmöglich die Gruppe in Schach zu halten. Die Lehrerinnen sind sehr streng, schreien die Kinder eigentlich permanent an und wenn sie nicht hören, gibt es harte Strafen, häufig mit Gewalt verbunden. Damit komme ich nicht zurecht, möchte die Kinder nicht schlagen oder ständig im lauten, gereizten Ton mit ihnen reden, dafür hören sie aber auch nicht auf mich. Die meisten von ihnen kommen aus einem schwierigen Elternhaus. Vor allem, wenn die Kinder abgeholt werden, bemerkt man, wie wenig Liebe sie zu Hause bekommen und ich würde viel lieber den ganzen Tag mit ihnen spielen und nett zu ihnen sein. Vormittags wird auf dem kleinen Spielplatz vor dem Gebäude gespielt, Zahlen auf Afrikaans gelernt, versucht den eigenen Namen zu schreiben und gespielt. Nach dem Mittagessen, sieht meistens ein wenig undefinierbar aus und das Plastikgeschirr wird immer nur kurz in heißes Wasser getaucht, bevor die nächste Klasse daraus isst :), wird Mittagsschläfchen gehalten. Dafür werden 30 Matratzen auf den Boden gelegt und die Kinder werden angehalten anderthalb Stunden ruhig darauf zu liegen. Und ich weiß nicht, wann die das letzte Mal gewaschen wurden …

Problem an der ganzen Sache ist nur, dass die Lehrerinnen in normaler Lautstärke weiter reden, auch von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und ich auch nicht schlafen könnte. Ab 2 kommen die ersten Eltern, meist aber größere Geschwister zum Abholen. Die schlafenden Kinder werden an einem Arm aus dem Schlaf hochgerissen und müssen sofort nach Hause gehen. Kaum einer fragt, wie der Tag war oder hilft dem Kind seine Sachen zu finden. Heute habe ich den ersten Kuss von einer Mutter gesehen.

Auch während des Vormittages gibt es so einige Situationen, wo ich echt schockiert war. Am Donnerstag ist ein Mädchen heulend aufs Klo gekommen und hat dann angefangen sich zu übergeben. Ich hab mich dazu gehockt, versucht das Mädchen zu trösten, bis eine Lehrerin kam und das Mädchen hochgerissen und angeschrien hat. Einfach total lieblos mit ihr umgegangen ist.

Ein anderer Junge hat in der letzten Woche seinen Vater verloren. In Lavendar Hill gibt es momentan ein akutes Gangproblem. Seit fast 2 Wochen gibt es Schusswechsel zwischen zwei rivalisierenden Gangs, den „Funky Junky's“ und den „Corner Boys“. Dabei ist der Vater, als einer von ungefähr 8 Leuten gestorben. Beinahe täglich hören wir von neuen Verletzten. Am Wochenende wurde ist zum ersten Mal einem 10-jähriger Junge ins Bein geschossen. Und heute habe ich Schüsse gehört. Wir waren bei Marius im Büro, als aus einer Nebenstraße einige Leute gelaufen kamen. Dann gab es drei Schüsse und wir mussten den Raum verlassen und durften nicht mehr am Fenster stehen. Das war eine total merkwürdige Situation. Minke und ich haben uns erstmal angegrinst und wussten das Ganze irgendwie nicht einzuordnen.

Es ist einfach so unreal, dass bei dir um die Ecke geschossen wird und Menschen sterben. Polizeisirenen waren kurz darauf auch zu hören. Um meine Sicherheit mache ich mir kaum Sorgen, wir werden immer abgeholt, befinden uns nur in Gebäuden. Aber die Lokalen wohnen Tür an Tür mit den Gangstern und müssen ständig darauf achten, dass sie und ihre Familien da nicht mit reingezogen werden.

Der Unterschied zwischen schwarz und weiß, reich und arm ist immer allgegenwärtig. Manchmal habe ich das Gefühl, dass auf uns einfach mehr Wert gelegt wird. Ständig geben wir Acht diesen Unterschied nicht zu groß werden zu lassen. Wertgegenstände und Geld bleiben im Zimmer verschlossen. Unsere Bons zerreißen oder verbrennen wir, damit Piet, der Arbeiter hier auf der Farm, die nicht findet. Ulli und Elvira gehen davon aus, dass er den Müll nach verwertbaren Sachen durchwühlt. Unsere Zimmer müssen immer abgeschlossen werden, Fenster bleiben zu, Vorhänge vorgezogen. Außerdem haben wir so ein Sicherheitsgitter vor der Eingangstür.

Auf der anderen Seite sind die Menschen hier aber echt freundlich und offen. Letzte Woche wurden wir zu einem Jugendchor mitgenommen. Vergangenes Wochenende sind wir am indischen Ozean mit Marius hochgefahren. Ich habe zum ersten Mal einen Wal gesehen und auf einem der vielen Berge hier, hatten wir eine wahnsinnig tolle Aussicht über ganz Kapstadt.

Nachmittags haben wir dann das Touri-Programm mit Juna durchgezogen. Waren an der Waterfront, in zwei riesigen Shoppingmalls und haben Burger gegessen.

Am Sonntag hat uns Juna dann mit in die Kirche genommen. Der Gottesdienst war eigentlich nur auf Afrikaans, deshalb gut langweilig. Und richtig kalt.

Am Abend vorher hatten wir auch einen Stromausfall, deshalb hatten wir zu Hause keinen kalten Kühlschrank, keinen Herd und Wasserkocher. Und unseren großen Wohnraum konnte man auch nicht mit der Minielektroheizung heizen. Deshalb hat uns Juna, nachdem Gottesdienst, zu ihrer Nichte auf Tee und Kaffee eingeladen. Und zum Sonntagsessen durften wir dann auch bleiben. Zum ersten Mal nach einer Woche richtiges Essen. Keine Pizza, keine Nudeln, kein Müsli und auch keine Pfannkuchen.

Dieses Wochenende war auch super. Eigentlich wollten wir Kapstadts Nachtleben kennenlernen, waren dann von der Woche aber zu geschafft. Außerdem lag ich am Freitag flach, weil mein Magen die neue Kultur doch nicht so gut vertragen hat. Am Samstag morgen ging es wieder früh los. Das Wetter war so richtig norddeutsch. Kalt, stürmisch und regnerisch. An der Touristeninformation haben wir uns mit Flyern eingedeckt und sind in die umliegenden Straßen gezogen. In einem richtig netten Café haben wir Tee getrunken und ich hab mir in einer deutschen Buchhandlung die Neon gekauft. Mein absolutes High-Light :)

Sonntag ging es dann wieder in die Kirche, diesmal auf dem Gelände der NWF. Den Pastor mag ich eigentlich sehr. Uncle Willie, mit dem es schon durch Lavendar Hill ging. Doch eigentlich hat er nur von Geld gepredigt. Dass sich die Menschen dazu verpflichten sollen, monatlich ihr letztes Geld zur Kirche zu bringen. Da bin ich sehr zwiegespalten. Die meisten haben kaum Einkommen, Kinder zu Hause und sollen dann noch ihr Geld in die Kirche bringen, obwohl genug Kosten für Schule, Kleidung, Lebensmittel und Gesundheit anfallen.

Der Nachmittag, war dafür umso schöner. Tiffany, eine lokale Freiwillige, ihr Cousin, Minke, Jan und ich sind zum Strand gefahren. Auf richtig afrikanische Art, hinten im Pick-Up von Ulli und Elvira. Am Strand war ein Flohmarkt, da haben wir ein wenig rumgestöbert und sind dann den Weg hoch zu einem kleinen Fischereihafen gelaufen.

Winter im Südafrika heißt im T-Shirt und Flip Flops, am Strand entlang zu laufen. Rechterhand die Berge und links den indischen Ozean. Dazu pralle Sonne von oben und leider nichts zu Trinken dabei. Die richtig richtig weiße Lulu hat sogar ein bisschen Farbe bekommen … ;-)

Also ich bring die Zeit hier schon gut rum. Nach der Vorschule, hab ich im Aftercare auch immer sehr viel Spaß. Die Kinder sind total nett, offen und versuchen es uns mit der Sprache so einfach wie möglich zu machen. Sie sind eigentlich nur am Singen, Tanzen und lachen und wenn die Mädchen bei „We are the world“ so richtig loslegen, muss man sich echt zusammenreißen, dass einem das nicht allzu nahe geht.

Wie gesagt, 2 Wochen sind schon um. Im Aftercare fangen die Weihnachts-Vorbereitungen schon an. Das erste Mal Weihnachten im Hochsommer. Vielleicht fahren wir die Garden Route entlang oder mit Juna über längere Zeit ans Meer.

Ich krieg die Zeit schon rum, obwohl ich Hamburg und all euch, jeden Tag ein bisschen mehr vermisse.

Ruft gern an … 0027-21-7883921 oder schreibt mir Post an Luisa Klatte ;), c/o NWF, PO Box 290, 7947 Steenberg- Cape Town, South Africa. Antwort gibt es ganz ganz bestimmt. Mails versuch ich auch regelmäßig zu lesen luisa-klatte@gmx.de, Facebook wird nicht so häufig aktualisiert.

Internet müsste ich in der NWF jetzt auch haben. Der Laptop bleibt aber so oft wie möglich daheim.

In den nächsten Tagen werden wir auch mobiler sein. Das Auto kommt aus der Werkstatt und Jan kann schon auf der linken Seite fahren. Gerne würde ich auch das Mini-Taxen-System ausprobieren. Davor warnt zwar jeder Reiseführer aber für 5 Rand (ca. 50 Cent) kommt man sonst nicht in die Stadt. Außerdem macht das einfach jeder hier in Kapstadt. Richtige Routen gibt es auch. Da steig ich aber noch nicht durch. Außerdem muss man Glück haben, dass das richtige Taxi gerade hält. Denn nach normalen Uhren läuft (fast) nichts. Damit komm ich auch richtig gut klar. Ich muss nur noch herausfinden, wo ich mir echt Zeit lassen und alles entspannt angehen kann. Weil bei Juna, muss man echt auf die Sekunde pünktlich sein.

Find ich alles raus und einen Weg mit den Problemen gibt es auch. Vielleicht braucht das Zeit, aber es liegen noch 50 ganze Wochen vor mir.

Meldet euch :)




Ons bas aan'n nuwe wereld van hoop, geregtigheid en vrede

Zu erst einmal, ich bin gut in Kapstadt angekommen. Die Landung ist schon so weit weg, obwohl nicht einmal 48 Stunden vergangen sind und es ist so viel passiert, dass es gewiss ein etwas längerer Eintrag wird.

Marius Blümel, ein Deutscher der seit 7 Jahren in Südafrika lebt und bei der New World Foundation arbeitet, hat uns vom Flughafen abgeholt und uns auf die Farm gebracht. Unserem zu Hause für die nächsten 12 Monate. Außer uns wohnen noch 2 andere Deutsche auf der Farm, Elvira und Ulli, die vor anderthalb Jahren nach Kapstadt ausgewandert sind. Und es gibt einen südafrikanischen Arbeiter, Piet. Neben den Wohngebäuden, gibt es den Office-Trakt, indem die Offiziellen der New World Foundation arbeiten

Wohnen tun wir in so einer Art kleinen Hütte. Zuerst kommt die Küche, dann ein riesiger Aufenthaltsraum von dem 2 Flure abgehen. Einer mit 3 Zimmern und einer mit 3 Bädern. Das ganze ist noch ein bisschen kahl. Aber das ändern wir noch, weil wir große Pläne haben … :)

Wir, das sind neben mir noch Jan und Minke, die anderen beiden Freiwilligen, mit denen ich hier wohne. Wir verstehen uns echt sehr gut. Haben gestern zusammen mit Elvira eingekauft und abends gekocht, Wein getrunken und über Gott und die Welt geredet.

Viel mehr ist auch nicht passiert. Morgens sollten wir die New World Foundation kennenlernen. Wir wurden von Marius abgeholt und zur Stiftung gebracht, die maximal 10 Minuten mit dem Auto weg ist. Wir sind einmal durch das wirklich große Gebäude gegangen und haben viele Hände geschüttelt, Gesichter gesehen und Namen kennengelernt. Viel von der Arbeit konnten wir nicht mitbekommen. Seine hochschwangere Frau hat wenig später angerufen, dass es wohl bald so weit sei. Und heute Nacht um zwei ist er dann Papa geworden.

Heute ist dafür umso mehr passiert. Wir wurden von Ulli zur NWF gebracht und haben Uncle Willi, den Pastor kennengelernt. Eine total faszinierender Mensch. Klein, kompakt, mit einen großen Lachen und herzensgut. Er hat uns im Auto mitgenommen, Lavendar Hill gezeigt und die krassesten Geschichten erzählt. Dabei sind wir ständig an irgendwem vorbeigefahren, den er kennt. Er hat gegrüßt, er wurde gegrüßt und alle haben sich über Uncle Willie gefreut.

Er ist von Beginn an bei der NWF, vor 30 Jahren hat das angefangen. Während der Apartheid wurde auf den Straßen um der Stiftung geschossen und gekämpft. Mehrere der 27 lokalen Kirchen wurden als Krankenlager genutzt. Und Uncle Willie war immer mittendrin. Hat sich um die Bedürftige gekümmert und auch auf offener Straße gekämpft.

Viel von dem, was wir gesehen haben, schaut wie das arme Südafrika aus dem Fernsehen aus. Es gibt nicht nur Baracken, sondern große Wohnkomplexe, die heruntergekommen aussehen. Eine offizielle Angabe über die Bewohner Lavendar Hill's kann es wohl nicht geben, weil ganze Familien in den Gärten der Baracken wohnen. Aus Angst vor Zahlungen, die theoretisch für den Staat fällig wären, tauchen diese Menschen in keinen Zählungen auf. Uncle Willie geht aber von ungefähr 37.000 Menschen aus.

Viele von denen kommen in die NWF, weil diese nicht nur eine NGO mit angrenzender Kirche ist, sondern auch regelmäßig staatlich gelenkte Sachen dort stattfinden. Jeden Dienstag mietet sich der „Social Service“ dort ein. Bewohner von Lavendar Hill kommen wohl, können Unterstützung vom Staat und Rente beantragen. Unglaublich viele Menschen waren da, den meisten konnte man die Armut ansehen.

Beim Herumfahren hat Uncle Willie viel erzählt. Von der Perspektivlosigkeit und den Problemen der Menschen. Drogen sind wohl häufig der Auslöser für einen Teufelskreis aus Armut, Gewaltbereitschaft und Unehrlichkeit um sich die Drogen zu beschaffen. Nach Uncle Willie ist es wohl nicht selten, dass schon die Kleinsten mit Drogen in Kontakt kommen. In den Pausen zwischen den Schulstunden kommen Händler an den Schulzaun, um Getränken und Süßigkeiten zu verkaufen. Doch viele der Waren sind Drogen untergemischt, um schon früh abhängig zu machen. Wir haben diese Händler auch gesehen, doch ist das Ganze irgendwie unvorstellbar.

Und viel dagegen unternehmen, kann man auch nicht. Eigentlich weiß jeder wer die großen Drogenbosse sind. Häufig kommen sie mit großen, teuren Wagen in die Townships gefahren, locken Jugendliche damit ihnen nachzueifern um einfach und schnell an Geld und Drogen zu kommen. Doch niemand macht den Mund auf, um diesen Geschäften Einhalt zu gebieten. Einerseits aus Angst vor der eigenen Sicherheit, andererseits weil es nutzlos ist. Wenig später wird es 10 neue Bosse geben.

Außerdem ist das System des Dealens sehr ausgefeilt. Überall auf den Straßen sieht man weiße Minitaxen, die den fehlenden öffentlichen Nahverkehr ersetzen und die Passagiere zur nächsten Bahnstation bringen sollen. Wir durften damit noch nicht fahren, weil es zu gefährlich sei. Neben dem Transport der Menschen, dienen die Fahrer wohl auch häufig als Drogenkuriere, da sie überall hinkommen und viel in Kontakt mit Menschen sind. Ehe man es sich versieht, ist eine Ladung Gras, über das Ganze Township verteilt.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Präsenz und Respekt vor der Polizei. In ganz Lavendar Hill gibt es nicht eine Polizeistation, was angesichts der Kriminalität eigentlich bitter nötig wäre. Aber auch wenn es Polizisten gäbe, könnten die nur wenig ausrichten, da viele Angst vor Übergriffen auf sich und die eigene Familie haben.

Stattdessen gibt es in Lavendar Hill den „Neighbourhodd-Watch“. Angesehene Menschen aus der Umgebung haben sich zu einer Art Patrouille zusammengeschlossen um etwas gegen die Probleme zu tun.

Nach Uncle Willies und auch meiner Vorstellung, bringt aber all die Arbeit im Moment wenig. Eigentlich arbeitet er für eine bessere Zukunft seiner Großenkel. Einen Aufschwung, den er nicht mehr erleben wird. Dennoch versucht er die Kinder zur Schule zu bringen. Da nur mit einer guten Ausbildung gegen Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven vorgegangen werden kann.

Normalerweise müsste jedes Kind in Südafrika zur Schule gehen. So ist es in der Verfassung verankert. Doch zum einem kümmert sich keiner um die Kinder, die während der Schulzeit auf der Straße sitzen und spielen. Zum anderen ist die Schule auch kostenpflichtig. Neben 120 Rand pro Jahr an Schulgeld, muss Büchergeld bezahlt werden, dass in Härtefällen von der Regierung übernommen wird. Daneben fallen aber auch Rechnungen für Schulutensilien, wie Stift und Papier an. Ohne das dürfen die Kinder nicht in die Schule kommen. Hinzukommt die Schuluniform, die nicht Pflicht ist, doch eigentlich sieht man nicht ein Schulkin ohne Uniform.

Das ganze System ist noch nicht ausgefeilt. Und werden wir auch nicht viel in dem einem Jahr an den universellen Problemen beseitigen können. Aber schon gestern haben wir gemerkt, wie sich die Kinder freuen, dass wir das sind. Nachmittags waren wir im Aftercare-Programme, haben mit ihnen zu Mittag gegessen. Sandwich mit einer Art Eier-Remouladen-Creme und mit einem Teil der Gruppe sind wir in die Library gegangen. Auf dem ganzen Weg haben die Kinder gelacht und gesungen. Scherze gerissen, sich mit uns Freiwilligen beschäftigt und ich hatte so unfassbar Spaß. Manchmal war es schwer sie zu verstehen. Nicht nur wegen dem ungewohnten Englisch, vor allem wegen der Lautstärke die einen ständig umgibt.

Aber ich freu mich mit jedem Moment ein bisschen mehr. Vor allem der erste Abend war wirklich hart, mittlerweile schaue ich aber total positiv auf die kommende Zeit. Gerade sitze ich im Wohnzimmer und habe Blick auf den Tafelberg von hinten, der von der aufgehenden Sonne angestrahlt wird.

Nur ist es noch echt kalt. Um halb 7 geht die Sonne unter und es wird stockfinster. Und im Haus laufen wir eigentlich immer mit dicken Pulli rum und gerade sitze ich mit Wolldecke auf dem Sofa. Die Fenster sind nicht richtig dicht und die Wände feucht. Aber was soll's, ich bin froh hier zu sein und freue mich auf alle Erlebnisse, die ich noch machen werde.

Samstag, 14. August 2010

Morgen soll's was geben ....

In exakt 10 Stunden startet die Maschine in mein neues Leben. Glauben kann ich das Ganze noch immer nicht, zwischendurch überkommt mich die Traurigkeit aber schon.

Der Rucksack ist gepackt. Die Waage sagt 15 kg, was ich mir nicht vorstellen kann, so wenig hatte ich bestimmt noch nie mit. Auch mein Handgepäck nimmt Formen an, nur mein Zimmer ist das reinste Chaos und ich frag mich ernsthaft, ob ich heute noch zum Schlafen komme. 

Auch wenn nicht 13 Stunden Flug liegen vor mir, in denen ich hoffentlich zur Ruhe kommen kann und gegen 10 Uhr abends werde ich in Kapstadt landen (es gibt KEINE Zeitverschiebung). 

Ob ich dann morgen Nacht schlafen werde weiß ich auch noch nicht. Gut wäre es bestimmt, damit ich am Montag voll in meinen neuen Alltag starten kann. Ich werde die New World Foundation kennen lernen, mit allen Mitarbeitern und einige lokale Freiwilligen. Das Gebäude, die verschiedenen Arbeitsbereiche und hoffentlich auch ein paar Kinder. 

Ich bin mir sicher, dass die ersten Arbeitstage wie im Fluge vergehen und auch die Abende, weil ich bestimmt viel zu verarbeiten und nachdenken habe und ich Hamburg nicht all zu stark vermissen werde. 

Ihr werdet bestimmt mitbekommen, ob ich gut gelandet bin. Aber weiß ich nicht, ob ich in der ersten Zeit zu vielen Mails und Posts kommen werde. Meldung ist irgendwann in den nächsten 12 Monaten aber bestimmt drin :)

Ich freu mich auf die Zeit!! Am Donnerstag hab ich die Freiwilligen kennen gelernt, die das letzte Jahr in Lavendar Hill verbracht haben und sie waren durchweg begeistert. Von Kapstadts City, den Möglichkeiten die man da hat, den Menschen, der Arbeit und den Erlebnissen, die sie gemacht haben.

Nicht alles war positiv. So hört man wohl regelmäßig Schusswechsel im Township. Auch wenn wir in Sicherheit wohnen werden mag ich an solche Situationen gar nicht denken. Oder das es eine Schießerei vor einer lokalen Schule gab und die Kinder wenig später in die New World Foundation kamen und völlig traumatisiert waren. 

Vielleicht habe ich wenig mit solchen Situationen zu tun. Erlebe viel Schönes und Einzigartiges. Aber wenn nicht, dann sind das alles Erfahrungen, die dazugehören. Vielleicht habe ich mich sogar ein bisschen dazu bereiterklärt so etwas zu erleben, als ich die Entscheidung getroffen habe nach Südafrika in ein Township zu gehen.

So oder so. Es wird eine wahnsinnige Zeit und ich will euch so viel wie möglich daran teilhaben lassen!!

Bis in einem Jahr ... ;-)