Meine ersten zwei Wochen sind nun fast rum. Und ich könnte so unglaublich viel erzählen …
Wir werden immer mehr Teil von der NWF und den Leuten dort. Meine Arbeit schaut im Moment hauptsächlich so aus, dass ich vormittags in der Pre-School und ab 3 Uhr hoch zum Aftercare-Programm kann. Das ist echt mega anstrengend und ich bin immer gut fertig, wenn ich gegen 5 nach Hause komme.
In der Afrikaans-Klasse, in der ich „assistiere“ gibt es 30 Kinder, um die 5 Jahre und die Lehrerin Juna. Der Lärmpegel ist mit absolut keiner Klasse in Deutschland zu vergleichen und es ist nahezu unmöglich die Gruppe in Schach zu halten. Die Lehrerinnen sind sehr streng, schreien die Kinder eigentlich permanent an und wenn sie nicht hören, gibt es harte Strafen, häufig mit Gewalt verbunden. Damit komme ich nicht zurecht, möchte die Kinder nicht schlagen oder ständig im lauten, gereizten Ton mit ihnen reden, dafür hören sie aber auch nicht auf mich. Die meisten von ihnen kommen aus einem schwierigen Elternhaus. Vor allem, wenn die Kinder abgeholt werden, bemerkt man, wie wenig Liebe sie zu Hause bekommen und ich würde viel lieber den ganzen Tag mit ihnen spielen und nett zu ihnen sein. Vormittags wird auf dem kleinen Spielplatz vor dem Gebäude gespielt, Zahlen auf Afrikaans gelernt, versucht den eigenen Namen zu schreiben und gespielt. Nach dem Mittagessen, sieht meistens ein wenig undefinierbar aus und das Plastikgeschirr wird immer nur kurz in heißes Wasser getaucht, bevor die nächste Klasse daraus isst :), wird Mittagsschläfchen gehalten. Dafür werden 30 Matratzen auf den Boden gelegt und die Kinder werden angehalten anderthalb Stunden ruhig darauf zu liegen. Und ich weiß nicht, wann die das letzte Mal gewaschen wurden …
Problem an der ganzen Sache ist nur, dass die Lehrerinnen in normaler Lautstärke weiter reden, auch von Klassenzimmer zu Klassenzimmer und ich auch nicht schlafen könnte. Ab 2 kommen die ersten Eltern, meist aber größere Geschwister zum Abholen. Die schlafenden Kinder werden an einem Arm aus dem Schlaf hochgerissen und müssen sofort nach Hause gehen. Kaum einer fragt, wie der Tag war oder hilft dem Kind seine Sachen zu finden. Heute habe ich den ersten Kuss von einer Mutter gesehen.
Auch während des Vormittages gibt es so einige Situationen, wo ich echt schockiert war. Am Donnerstag ist ein Mädchen heulend aufs Klo gekommen und hat dann angefangen sich zu übergeben. Ich hab mich dazu gehockt, versucht das Mädchen zu trösten, bis eine Lehrerin kam und das Mädchen hochgerissen und angeschrien hat. Einfach total lieblos mit ihr umgegangen ist.
Ein anderer Junge hat in der letzten Woche seinen Vater verloren. In Lavendar Hill gibt es momentan ein akutes Gangproblem. Seit fast 2 Wochen gibt es Schusswechsel zwischen zwei rivalisierenden Gangs, den „Funky Junky's“ und den „Corner Boys“. Dabei ist der Vater, als einer von ungefähr 8 Leuten gestorben. Beinahe täglich hören wir von neuen Verletzten. Am Wochenende wurde ist zum ersten Mal einem 10-jähriger Junge ins Bein geschossen. Und heute habe ich Schüsse gehört. Wir waren bei Marius im Büro, als aus einer Nebenstraße einige Leute gelaufen kamen. Dann gab es drei Schüsse und wir mussten den Raum verlassen und durften nicht mehr am Fenster stehen. Das war eine total merkwürdige Situation. Minke und ich haben uns erstmal angegrinst und wussten das Ganze irgendwie nicht einzuordnen.
Es ist einfach so unreal, dass bei dir um die Ecke geschossen wird und Menschen sterben. Polizeisirenen waren kurz darauf auch zu hören. Um meine Sicherheit mache ich mir kaum Sorgen, wir werden immer abgeholt, befinden uns nur in Gebäuden. Aber die Lokalen wohnen Tür an Tür mit den Gangstern und müssen ständig darauf achten, dass sie und ihre Familien da nicht mit reingezogen werden.
Der Unterschied zwischen schwarz und weiß, reich und arm ist immer allgegenwärtig. Manchmal habe ich das Gefühl, dass auf uns einfach mehr Wert gelegt wird. Ständig geben wir Acht diesen Unterschied nicht zu groß werden zu lassen. Wertgegenstände und Geld bleiben im Zimmer verschlossen. Unsere Bons zerreißen oder verbrennen wir, damit Piet, der Arbeiter hier auf der Farm, die nicht findet. Ulli und Elvira gehen davon aus, dass er den Müll nach verwertbaren Sachen durchwühlt. Unsere Zimmer müssen immer abgeschlossen werden, Fenster bleiben zu, Vorhänge vorgezogen. Außerdem haben wir so ein Sicherheitsgitter vor der Eingangstür.
Auf der anderen Seite sind die Menschen hier aber echt freundlich und offen. Letzte Woche wurden wir zu einem Jugendchor mitgenommen. Vergangenes Wochenende sind wir am indischen Ozean mit Marius hochgefahren. Ich habe zum ersten Mal einen Wal gesehen und auf einem der vielen Berge hier, hatten wir eine wahnsinnig tolle Aussicht über ganz Kapstadt.
Nachmittags haben wir dann das Touri-Programm mit Juna durchgezogen. Waren an der Waterfront, in zwei riesigen Shoppingmalls und haben Burger gegessen.
Am Sonntag hat uns Juna dann mit in die Kirche genommen. Der Gottesdienst war eigentlich nur auf Afrikaans, deshalb gut langweilig. Und richtig kalt.
Am Abend vorher hatten wir auch einen Stromausfall, deshalb hatten wir zu Hause keinen kalten Kühlschrank, keinen Herd und Wasserkocher. Und unseren großen Wohnraum konnte man auch nicht mit der Minielektroheizung heizen. Deshalb hat uns Juna, nachdem Gottesdienst, zu ihrer Nichte auf Tee und Kaffee eingeladen. Und zum Sonntagsessen durften wir dann auch bleiben. Zum ersten Mal nach einer Woche richtiges Essen. Keine Pizza, keine Nudeln, kein Müsli und auch keine Pfannkuchen.
Dieses Wochenende war auch super. Eigentlich wollten wir Kapstadts Nachtleben kennenlernen, waren dann von der Woche aber zu geschafft. Außerdem lag ich am Freitag flach, weil mein Magen die neue Kultur doch nicht so gut vertragen hat. Am Samstag morgen ging es wieder früh los. Das Wetter war so richtig norddeutsch. Kalt, stürmisch und regnerisch. An der Touristeninformation haben wir uns mit Flyern eingedeckt und sind in die umliegenden Straßen gezogen. In einem richtig netten Café haben wir Tee getrunken und ich hab mir in einer deutschen Buchhandlung die Neon gekauft. Mein absolutes High-Light :)
Sonntag ging es dann wieder in die Kirche, diesmal auf dem Gelände der NWF. Den Pastor mag ich eigentlich sehr. Uncle Willie, mit dem es schon durch Lavendar Hill ging. Doch eigentlich hat er nur von Geld gepredigt. Dass sich die Menschen dazu verpflichten sollen, monatlich ihr letztes Geld zur Kirche zu bringen. Da bin ich sehr zwiegespalten. Die meisten haben kaum Einkommen, Kinder zu Hause und sollen dann noch ihr Geld in die Kirche bringen, obwohl genug Kosten für Schule, Kleidung, Lebensmittel und Gesundheit anfallen.
Der Nachmittag, war dafür umso schöner. Tiffany, eine lokale Freiwillige, ihr Cousin, Minke, Jan und ich sind zum Strand gefahren. Auf richtig afrikanische Art, hinten im Pick-Up von Ulli und Elvira. Am Strand war ein Flohmarkt, da haben wir ein wenig rumgestöbert und sind dann den Weg hoch zu einem kleinen Fischereihafen gelaufen.
Winter im Südafrika heißt im T-Shirt und Flip Flops, am Strand entlang zu laufen. Rechterhand die Berge und links den indischen Ozean. Dazu pralle Sonne von oben und leider nichts zu Trinken dabei. Die richtig richtig weiße Lulu hat sogar ein bisschen Farbe bekommen … ;-)
Also ich bring die Zeit hier schon gut rum. Nach der Vorschule, hab ich im Aftercare auch immer sehr viel Spaß. Die Kinder sind total nett, offen und versuchen es uns mit der Sprache so einfach wie möglich zu machen. Sie sind eigentlich nur am Singen, Tanzen und lachen und wenn die Mädchen bei „We are the world“ so richtig loslegen, muss man sich echt zusammenreißen, dass einem das nicht allzu nahe geht.
Wie gesagt, 2 Wochen sind schon um. Im Aftercare fangen die Weihnachts-Vorbereitungen schon an. Das erste Mal Weihnachten im Hochsommer. Vielleicht fahren wir die Garden Route entlang oder mit Juna über längere Zeit ans Meer.
Ich krieg die Zeit schon rum, obwohl ich Hamburg und all euch, jeden Tag ein bisschen mehr vermisse.
Ruft gern an … 0027-21-7883921 oder schreibt mir Post an Luisa Klatte ;), c/o NWF, PO Box 290, 7947 Steenberg- Cape Town, South Africa. Antwort gibt es ganz ganz bestimmt. Mails versuch ich auch regelmäßig zu lesen luisa-klatte@gmx.de, Facebook wird nicht so häufig aktualisiert.
Internet müsste ich in der NWF jetzt auch haben. Der Laptop bleibt aber so oft wie möglich daheim.
In den nächsten Tagen werden wir auch mobiler sein. Das Auto kommt aus der Werkstatt und Jan kann schon auf der linken Seite fahren. Gerne würde ich auch das Mini-Taxen-System ausprobieren. Davor warnt zwar jeder Reiseführer aber für 5 Rand (ca. 50 Cent) kommt man sonst nicht in die Stadt. Außerdem macht das einfach jeder hier in Kapstadt. Richtige Routen gibt es auch. Da steig ich aber noch nicht durch. Außerdem muss man Glück haben, dass das richtige Taxi gerade hält. Denn nach normalen Uhren läuft (fast) nichts. Damit komm ich auch richtig gut klar. Ich muss nur noch herausfinden, wo ich mir echt Zeit lassen und alles entspannt angehen kann. Weil bei Juna, muss man echt auf die Sekunde pünktlich sein.
Find ich alles raus und einen Weg mit den Problemen gibt es auch. Vielleicht braucht das Zeit, aber es liegen noch 50 ganze Wochen vor mir.
Meldet euch :)