Marius Blümel, ein Deutscher der seit 7 Jahren in Südafrika lebt und bei der New World Foundation arbeitet, hat uns vom Flughafen abgeholt und uns auf die Farm gebracht. Unserem zu Hause für die nächsten 12 Monate. Außer uns wohnen noch 2 andere Deutsche auf der Farm, Elvira und Ulli, die vor anderthalb Jahren nach Kapstadt ausgewandert sind. Und es gibt einen südafrikanischen Arbeiter, Piet. Neben den Wohngebäuden, gibt es den Office-Trakt, indem die Offiziellen der New World Foundation arbeiten
Wohnen tun wir in so einer Art kleinen Hütte. Zuerst kommt die Küche, dann ein riesiger Aufenthaltsraum von dem 2 Flure abgehen. Einer mit 3 Zimmern und einer mit 3 Bädern. Das ganze ist noch ein bisschen kahl. Aber das ändern wir noch, weil wir große Pläne haben … :)
Wir, das sind neben mir noch Jan und Minke, die anderen beiden Freiwilligen, mit denen ich hier wohne. Wir verstehen uns echt sehr gut. Haben gestern zusammen mit Elvira eingekauft und abends gekocht, Wein getrunken und über Gott und die Welt geredet.
Viel mehr ist auch nicht passiert. Morgens sollten wir die New World Foundation kennenlernen. Wir wurden von Marius abgeholt und zur Stiftung gebracht, die maximal 10 Minuten mit dem Auto weg ist. Wir sind einmal durch das wirklich große Gebäude gegangen und haben viele Hände geschüttelt, Gesichter gesehen und Namen kennengelernt. Viel von der Arbeit konnten wir nicht mitbekommen. Seine hochschwangere Frau hat wenig später angerufen, dass es wohl bald so weit sei. Und heute Nacht um zwei ist er dann Papa geworden.
Heute ist dafür umso mehr passiert. Wir wurden von Ulli zur NWF gebracht und haben Uncle Willi, den Pastor kennengelernt. Eine total faszinierender Mensch. Klein, kompakt, mit einen großen Lachen und herzensgut. Er hat uns im Auto mitgenommen, Lavendar Hill gezeigt und die krassesten Geschichten erzählt. Dabei sind wir ständig an irgendwem vorbeigefahren, den er kennt. Er hat gegrüßt, er wurde gegrüßt und alle haben sich über Uncle Willie gefreut.
Er ist von Beginn an bei der NWF, vor 30 Jahren hat das angefangen. Während der Apartheid wurde auf den Straßen um der Stiftung geschossen und gekämpft. Mehrere der 27 lokalen Kirchen wurden als Krankenlager genutzt. Und Uncle Willie war immer mittendrin. Hat sich um die Bedürftige gekümmert und auch auf offener Straße gekämpft.
Viel von dem, was wir gesehen haben, schaut wie das arme Südafrika aus dem Fernsehen aus. Es gibt nicht nur Baracken, sondern große Wohnkomplexe, die heruntergekommen aussehen. Eine offizielle Angabe über die Bewohner Lavendar Hill's kann es wohl nicht geben, weil ganze Familien in den Gärten der Baracken wohnen. Aus Angst vor Zahlungen, die theoretisch für den Staat fällig wären, tauchen diese Menschen in keinen Zählungen auf. Uncle Willie geht aber von ungefähr 37.000 Menschen aus.
Viele von denen kommen in die NWF, weil diese nicht nur eine NGO mit angrenzender Kirche ist, sondern auch regelmäßig staatlich gelenkte Sachen dort stattfinden. Jeden Dienstag mietet sich der „Social Service“ dort ein. Bewohner von Lavendar Hill kommen wohl, können Unterstützung vom Staat und Rente beantragen. Unglaublich viele Menschen waren da, den meisten konnte man die Armut ansehen.
Beim Herumfahren hat Uncle Willie viel erzählt. Von der Perspektivlosigkeit und den Problemen der Menschen. Drogen sind wohl häufig der Auslöser für einen Teufelskreis aus Armut, Gewaltbereitschaft und Unehrlichkeit um sich die Drogen zu beschaffen. Nach Uncle Willie ist es wohl nicht selten, dass schon die Kleinsten mit Drogen in Kontakt kommen. In den Pausen zwischen den Schulstunden kommen Händler an den Schulzaun, um Getränken und Süßigkeiten zu verkaufen. Doch viele der Waren sind Drogen untergemischt, um schon früh abhängig zu machen. Wir haben diese Händler auch gesehen, doch ist das Ganze irgendwie unvorstellbar.
Und viel dagegen unternehmen, kann man auch nicht. Eigentlich weiß jeder wer die großen Drogenbosse sind. Häufig kommen sie mit großen, teuren Wagen in die Townships gefahren, locken Jugendliche damit ihnen nachzueifern um einfach und schnell an Geld und Drogen zu kommen. Doch niemand macht den Mund auf, um diesen Geschäften Einhalt zu gebieten. Einerseits aus Angst vor der eigenen Sicherheit, andererseits weil es nutzlos ist. Wenig später wird es 10 neue Bosse geben.
Außerdem ist das System des Dealens sehr ausgefeilt. Überall auf den Straßen sieht man weiße Minitaxen, die den fehlenden öffentlichen Nahverkehr ersetzen und die Passagiere zur nächsten Bahnstation bringen sollen. Wir durften damit noch nicht fahren, weil es zu gefährlich sei. Neben dem Transport der Menschen, dienen die Fahrer wohl auch häufig als Drogenkuriere, da sie überall hinkommen und viel in Kontakt mit Menschen sind. Ehe man es sich versieht, ist eine Ladung Gras, über das Ganze Township verteilt.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Präsenz und Respekt vor der Polizei. In ganz Lavendar Hill gibt es nicht eine Polizeistation, was angesichts der Kriminalität eigentlich bitter nötig wäre. Aber auch wenn es Polizisten gäbe, könnten die nur wenig ausrichten, da viele Angst vor Übergriffen auf sich und die eigene Familie haben.
Stattdessen gibt es in Lavendar Hill den „Neighbourhodd-Watch“. Angesehene Menschen aus der Umgebung haben sich zu einer Art Patrouille zusammengeschlossen um etwas gegen die Probleme zu tun.
Nach Uncle Willies und auch meiner Vorstellung, bringt aber all die Arbeit im Moment wenig. Eigentlich arbeitet er für eine bessere Zukunft seiner Großenkel. Einen Aufschwung, den er nicht mehr erleben wird. Dennoch versucht er die Kinder zur Schule zu bringen. Da nur mit einer guten Ausbildung gegen Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven vorgegangen werden kann.
Normalerweise müsste jedes Kind in Südafrika zur Schule gehen. So ist es in der Verfassung verankert. Doch zum einem kümmert sich keiner um die Kinder, die während der Schulzeit auf der Straße sitzen und spielen. Zum anderen ist die Schule auch kostenpflichtig. Neben 120 Rand pro Jahr an Schulgeld, muss Büchergeld bezahlt werden, dass in Härtefällen von der Regierung übernommen wird. Daneben fallen aber auch Rechnungen für Schulutensilien, wie Stift und Papier an. Ohne das dürfen die Kinder nicht in die Schule kommen. Hinzukommt die Schuluniform, die nicht Pflicht ist, doch eigentlich sieht man nicht ein Schulkin ohne Uniform.
Das ganze System ist noch nicht ausgefeilt. Und werden wir auch nicht viel in dem einem Jahr an den universellen Problemen beseitigen können. Aber schon gestern haben wir gemerkt, wie sich die Kinder freuen, dass wir das sind. Nachmittags waren wir im Aftercare-Programme, haben mit ihnen zu Mittag gegessen. Sandwich mit einer Art Eier-Remouladen-Creme und mit einem Teil der Gruppe sind wir in die Library gegangen. Auf dem ganzen Weg haben die Kinder gelacht und gesungen. Scherze gerissen, sich mit uns Freiwilligen beschäftigt und ich hatte so unfassbar Spaß. Manchmal war es schwer sie zu verstehen. Nicht nur wegen dem ungewohnten Englisch, vor allem wegen der Lautstärke die einen ständig umgibt.
Aber ich freu mich mit jedem Moment ein bisschen mehr. Vor allem der erste Abend war wirklich hart, mittlerweile schaue ich aber total positiv auf die kommende Zeit. Gerade sitze ich im Wohnzimmer und habe Blick auf den Tafelberg von hinten, der von der aufgehenden Sonne angestrahlt wird.
Nur ist es noch echt kalt. Um halb 7 geht die Sonne unter und es wird stockfinster. Und im Haus laufen wir eigentlich immer mit dicken Pulli rum und gerade sitze ich mit Wolldecke auf dem Sofa. Die Fenster sind nicht richtig dicht und die Wände feucht. Aber was soll's, ich bin froh hier zu sein und freue mich auf alle Erlebnisse, die ich noch machen werde.
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